Laudatio für Volker Witte zum 80. Geburtstag
Áls „Bayerisches Original“ bezeichnet zu werden, das ist in Bayern ein ganz besonderer Ehrentitel. Für den es im Allgemeinen keine Honorierung in Euro gibt, aber es ist nicht entscheidend. Und dann gibt es natürlich auch noch „Münchner Originale“! Nun, was liegt da näher, als für die jüngste Stadt im Landkreis – Geretsried – auch Originale zu benennen. 2017, beim Starkbierfest der Bunker Blasmusik im Ratsstubensaal, wurde vom Fastenprediger Barnabas das erste „Geretsrieder Original“ vorgestellt. Eine gute Idee!
Mit Sicherheit in jedem Fall ein „Geretsrieder Original“ ist der Volker Witte. Er lebt und arbeitet seit 1965 in Bayern (bestimmt an die 40 Jahre in Geretsried), kommt aber ursprünglich aus einer Hansestadt, nämlich Uelzen, von der die meisten Bayern nicht mal ahnen, wo genau das denn liegt! Aber: sein legendärer „Korkenzieher“ war ab 1983 bis in die 90er Jahre die Kulturbühne im sog. Nord-Landkreis schlechthin, in der sich die Künstler die Klinke in die Hand gaben. Zuerst unterhalb vom Gasthaus „Isarwinkel“ (früheres „May Way“) gelegen, war der „Korkenzieher“ ab 1989 dann im Geretsrieder Ortsteil Stein in einem deutlich größeren Lokal untergebracht.
Der Volker hatte Design und Grafik studiert und verfügte über keinerlei Erfahrung als Wirt, als er mit dem „Korkenzieher“ begann. Aber das ist anscheinend nicht unbedingt ein Hindernis, wenn man bedenkt, dass sowohl der weit über München bekannte Betreiber der Jazzbar Vogler (Thomas Vogler) 1997 weder eine Ahnung von Musik, noch von Gastronomie hatte, als er die Jazzbar (wieder) eröffnete. Und auch der Begründer des legendären „Village Habach“ – Dieter Übler – hat zwar nebenbei Gitarren gebaut, aber ansonsten keine geeignete Ausbildung für den Betrieb einer Musikbühne vorweisen können. Und ich als Betreiberin des Hinterhalt in Gelting (seit 14 Jahren) kann bestenfalls auf die frühkindliche Erziehung auf der Blockflöte verweisen.
Was uns alle Genannten anbelangt, so handelt es sich bei uns um Überzeugungstäter, um Visionäre. Jeder von uns wusste vermutlich von Anfang an, dass die Entscheidung, eine sog. „freie“ Kultur- oder Musikbühne zu eröffnen, sicherlich nicht aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus getroffen wird! Wer möglichst viel oder einfach nur verlässlich Geld verdienen möchte, der arbeitet als Betriebswirt oder Jurist. Da sind sogar die Arbeitszeiten in aller Regel günstiger! Ein echter Überzeugungstäter war und ist der Volker halt eben auch immer gewesen!
Wunderbare Erinnerungen habe auch ich an die „guten alten Zeiten“. Schon im ersten „Korkenzieher“ war reichlich Prominenz zu hören und zu sehen. Klaus Doldinger spielte dort genauso wie Barbara Dennerlein (Hammond-Orgel); Willy Astor hatte dort erste Solo-Auftritte, sein heutiger Mit-Musiker Titus Vollmer aus Geretsried ebenso. Martin Schmitt (Boogie Woogie-Piano) war genauso Stammgast wie der legendäre Drummer der Spencer Davis Group, Pete York, der an der Seite von Steve Winwood u.a. den Welthit „Keep on running“ in die Radios brachte. Einen seiner ersten Auftritte überhaupt hatte auch Hans Söllner bei Volker in Geretsried. Und der Volker hat dazu auch noch ab und an eigene Kunstwerke ausgestellt.
1984 bin ich sozusagen nach Geretsried gekommen. Gemeinsam mit dem damaligen Lebensgefährten Wolf Steinberger haben wir im Linhof-Gebäude an der Adalbert-Stifter-Straße den ältesten Produktionszweig der in Wolfratshausen sitzenden „PANA Werk Steinberger GmbH & Co.KG“ – Verarbeitung von Weich- und halbharten Schaumstoffen – der Konkursmasse entziehen können und die Abteilung als „PANA Schaumstoff GmbH“ auf- und letztlich ausgebaut; 26 Jahre lang, bis zum Verkauf 2010. Und seit der Zeit kenne ich den Volker Witte. Der Aufbau der Firma war mit viel Arbeit verbunden, was dazu geführt hatte, dass wir meist im Betriebsgebäude übernachtet haben (unser Wohnsitz war damals noch Schwabing-Milbertshofen). Dieser Umstand hat es u.a. auch möglich gemacht, dass wir oft und gerne bei Konzerten im „Korkenzieher“ gewesen sind, ohne dass wir das Feldbett vom Volker (das da wohl irgendwie herum gestanden hat) hätten in Anspruch nehmen müssen. Als der Korkenzieher vom „Isarwinkel“ nach Stein gezogen ist, haben wir die Schaumstoff-Polster für die neu einzurichtenden Bänke etc. geliefert.
Aufgehört mit dem „Korkenzieher“ hat der Volker erst, als im nahe gelegenen Gelting die junge Kulturbühne „Hinterhalt“ von Hias Röttig und Claus Steigenberger erfolgreich Fahrt aufgenommen hat. Zwei Bühnen der sog. „Freien Szene“, das war für den Nord-Landkreis aber einfach zu viel. Und was hat er Volker gemacht? Er hat den „Korkenzieher“ zu gemacht und dann die Geschäfte des Hinterhalt-Vereins zur Unterstützung der Kulturbühne Hinterhalt an die zwei Jahre kommissarisch geführt. Dabei sind wir uns auch viel und oft über den Weg gelaufen.
Volker war und ist auf vielen Gebieten zu Hause. Er malt und zeichnet; er hat für die Tafel Essen ausgefahren, war als Vorleser bzw. Geschichtenerzähler vielfach engagiert; er hat das „Geretsrieder Kulturforum“ mit begründet und dort mit gearbeitet, hat letztlich das Logo dafür erfunden; er hat im „Geretsrieder Kulturherbst“ auch ausgestellt und dort Künstlergespräche geführt und … und … und…
Persönlich kenne ich ihn – und auch seine Frau Geli – auch aus anderen Anlässen. Natürlich von den Besuchen im „Korkenzieher“, aber auch als gegen Rassismus engagierte Persönlichkeiten („Äktschn“, eine gemeinsame Aktion gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus mit verschiedenen Protagonisten des öffentlichen Lebens Mitte der 1990er Jahre); aber auch als regelmäßige Besucher unserer sog. „Multi-Kulti-Sommerfeste“, mit denen wir von der „PANA Schaumstoff GmbH“ auf dem Betriebsgelände der Firma alljährlich ein Zeichen setzen wollten, ab 1992 (gegen die Attentate von Hoyerswerda, Mölln, Rostock-Lichtenhagen, Solingen und viele, die leider noch folgten). Auch hatte der Volker sofort sein Mitwirken zugesagt, als wir in 2009 angefangen haben, (ab da jährlich) im Hinterhalt am 10.Mai zum Gedenken an die Verbrennung der Bücher der Nazis zu lesen. Seine „Ringelnatz“-Gedichte höre ich noch heute…
Der Volker ist ein- inzwischen – langjähriger, aktiver Stadtrat, der immer viel in der Stadt gesehen worden ist, der präsent war und ist, und der allerdings auch noch zu „meiner Zeit“ – also ab 2008 – oft im Hinterhalt als Gast war. Und es war auch eine große Freude, seine älteste Tochter mit ihrer Impro-Theater-Truppe dort auftreten zu sehen (und ihre kleinere Schwester Ronja hat die Technik gemacht).
Seit einigen Jahren sehen wir uns nicht mehr so oft wie früher; eine Entwicklung, die die letzten zwei Jahre noch verstärkt haben. Aber wir sind uns immer noch sehr verbunden! Und wenn mein ehemaliger Lebensgefährte nicht müde wird zu betonen, dass der Kauf der Kulturbühne Hinterhalt (er hat sie gekauft, und ich mit meinen Helfern betreibe sie) mit Sicherheit die in seinem Leben – wirtschaftlich betrachtet – blödsinnigste Entscheidung gewesen is – so ist sie doch eine, die ihm mit am meisten Freude bereitet hat! Könnte durchaus sein, dass der Volker, das Geretsrieder Original, das für sich so ähnlich sehen kann!
Herzlichen Glückwunsch zum 80. Geburtstag! Und auf die kommenden, kreativen 80 Jahre. Alles Gute, Gesundheit und weiterhin viel Freude beim Auf-der-Welt-Sein wünscht
Assunta Tammelleo